GOTT experimentiert

(Christian Holzapfel)

 

Am Anfang Schuf Gott Himmel und Erde.


   War das wirklich der Anfang?


   Nein!
   
   Anfangs schwebte Gott im leeren Raum.
Das war langweilig, stinklangweilig!
Gott wusste nicht, wie lange er schon schwebte. Er hatte ja keinen Chronometer. So was gab es damals nicht.
Er wusste auch nicht, wie groß der Raum war, in dem er schwebte. Er hatte ja keinen Zollstock. So was gab es damals nicht.
  

    Dann kam Gott auf die Idee, das All zu erschaffen. Man könnte doch mal ein Universum schaffen, meinte Gott.
Aber wie macht man das?
Er versuchte es mal mit einem einzelnen Elektron. Ein einzelnes Elektron im ganzen Universum.
Welche Eigenschaften hatte ein solch einsames Elektron?


   Abgesehen davon, dass niemand da war, es zu beobachten – außer Gott natürlich – es gab keine Möglichkeit festzustellen, wie groß dieses einsame Elektron war. Es gab ja nichts zum Vergleich.
Es gab auch keine Möglichkeit festzustellen, wo es sich befand. Es gab ja nichts, woran man Abstände hätte festmachen können. Wie gesagt, es gab ja auch keinen Zollstock.
Man konnte auch nicht feststellen, ob es sich bewegte oder in Ruhe befand. Es war ja nichts da, woran man eine Geschwindigkeit hätte messen können.
Aber das Elektron musste ja eine Ladung haben, eine negative Ladung. Sonst wäre es kein Elektron. Aber auch die Ladung konnte man nicht feststellen, schon gar nicht messen. Dazu hätte man mindestens ein zweites Elektron gebraucht.
Auch konnte man nicht feststellen, ob das einsame Elektron etwa rotierte, einen Spin hatte. Dazu braucht man ja auch eine Umgebung aus anderen Sachen, in der das Elektron sich hätte drehen können – und all diese anderen Sachen gab es nicht.
Deshalb konnte man auch nicht feststellen, ob das Elektron ein Magnetfeld hätte, ein Magnetfeld, das durch die Rotation entstehen sollte.
Kurzum, dieses einsame Elektron schien überhaupt keine Eigenschaften zu haben – man fragt sich daher, ob es überhaupt existierte.


    Damit das Elektron nicht vor Langeweile aufgab zu existieren, beschloß Gott, in einem zweiten Schöpfungsakt, ein zweites Elektron zu erschaffen, in der Hoffnung, den beiden Elektronen nun doch einige Eigenschaften zu geben.


    Die beiden Elektronen versuchten nun erst herauszufinden, wo sie waren, stellten dann fest, dass sie das noch immer nicht konnten. Das eine Elektron konnte ja nicht sagen, ob es sich rechts oder links vom anderen Elektron befand, auch nicht über oder unter dem anderen. Es war ja nichts da, woran sie sich hätten orientieren können.
Aber sie konnten sagen, wie weit sie auseinander waren, wie groß der Abstand zwischen ihnen war. Den Abstand konnten sie definieren, indem sie ihre eigene Größe, z.B. den Durchmesser als Einheit definierten. Dann konnten sie den Abstand definieren als so und so viel Mal den Elektronendurchmesser.
Den Spin, die Eigenrotation, konnten sie nicht feststellen. Das eine Elektron konnte ja nicht feststellen, ob es selbst rotierte, oder ob das zweite Elektron auf einer Kreisbahn um ihn kreiste, so wie wir vor Keppler auch nicht wussten ob unsere Erde sich drehte oder ob das ganze Firmament mit Sonne, Mond und Sternen sich um uns drehte.
Aber das Magnetfeld konnten sie feststellen. Das eine Elektron sieht das Magnetfeld des anderen Elektrons – und natürlich vice versa -, weil nicht nur eine rotierende Ladung ein Magnetfeld in der Umgebung erzeugt, sondern auch ein Beobachter, der um eine nichtrotierende Ladung kreist, ein Magnetfeld sieht.
Dazu mussten die beiden Elektronen aber auch ihre Ladung definieren können, und das konnten sie, weil sie ja den Abstand zwischen sich messen konnten. Damit konnten sie auch feststellen, dass sich der Abstand vergrößerte, sie stießen sich gegenseitig ab – das konnten sie als Einfluß einer elektrischen Ladung definieren.
Nebenbei hatten sie damit auch den Zeitbegriff erfunden. Und sie hatten die Zahl 2 erfunden – und den Begriff der Addition, dass eins und eins zwei ergibt, die Grundlage der ganzen Mathematik.
Kurzum, die beiden Elektronen hatten zusammen eine ganze Menge Eigenschaften erhalten, von denen sie als einzelne Elektronen nicht träumen konnten.


    So wurde das ganze Universum geschaffen, immer ein Teil nach dem anderen, das nächste folgend aus dem vorhergehenden. Und immer entstanden dabei komplexere Strukturen, Atome, Moleküle, Leben und Bewusstsein mit Eigenschaften, die durch die Existenz aller anderen Strukturen existieren.


    (Dezember 2013)