Was ist Wirklichkeit

(Christian Holzapfel)

 

Unsere Welt besteht aus Billardkugeln, Autos, Häusern und anderen Dingen und auch aus Teilchen und Wellen. Die Mikrowelt besteht aus Quanten. Wir sind als Mitglieder der Makrowelt mit Augen geboren worden, die nur Dinge wie Teilchen und Wellen erfassen können. Wenn wir als Quanten geboren wären, würden unsere Augen wahrscheinlich nur die verschiedenen Arten von Quanten erfassen. Aber beide Welten sind da, die Makrowelt ist einfach real geworden – für uns - weil wir sie beobachten. So gesehen hat die Welt also nur darauf gewartet, von uns beobachtet zu werden, je nachdem wie wir die Realität definieren. Ohne uns ist die gesamte Realität die Mikro- und Makrowelt. Für uns ist die Makrowelt durch unsere Beobachtung zur Wirklichkeit geworden.

 

Die beiden Welten sind nicht wie etwa Parallelwelten nebeneinander existent, sondern sie bilden zusammen die ganze Realität; sie erscheinen uns nur wie getrennte Welten, von denen wir nur die eine erfassen können, weil wir für die andere keine adäquaten Begriffe zur Verfügung haben; wir können sie nur durch den Formalismus der Quantentheorie beschreiben. Der Übergang zwischen diesen beiden Welten ist auch nicht abrupt, eher fließend.

 

Bei der Diskussion um den freien Willen des Menschen und um das Dilemma des freien Willen im descartschen Determinismus wurde auch die Quantentheorie als Ausweg aus dem Widerspruch zwischen dem freien Willen des menschlichen Geistes und der Vorstellung des deterministischen Weltbildes - insbesondere des von Laplace entwickelten Weltbildes - herangezogen.

 

Das Versagen der Kausalität bei gewissen Erscheinungen, z.B. beim radioaktiven Zerfall, oder die Heisenbergsche Unbestimmtheitsrelation wurden als Möglichkeit für eine Entfaltung eines von der Physik unabhängigen Geistes gesehen. Über den freien Willen habe ich an anderer Stelle bereits berichtet; hier will ich nur darauf hinweisen:

 

Die Unbestimmtheitsrelation von Heisenberg hat nichts mit unserem freien Willen zu tun. Sie beschreibt nur die Grenze zwischen unserer Welt und der Mikrowelt - so wie wir es schaffen, die beiden Welten wahrzunehmen. Wäre unser freier Wille durch die Unbestimmtheitsrelation oder durch Kausalitätsverletzung bestimmt, unsere Entscheidungen wären durch den Zufall bestimmt und damit auch nicht frei.

 

(6. Juni 2019)

 

Literatur.

 

Es hat wenig Sinn, einzelne Zitate zur Untermauerung der hier dargestellten Gedanken anzuführen. Zitate müssen im Zusammenhang mit dem ganzen Text der einzelnen Autoren gesehen werden:

 

1.    Werner Heisenberg, Quantentheorie und Philosophie, Reclam 2012

 

2.    Niels Bohr, Atomic Physics and Human Knowledge, Dover, New York 2010

 

3.    Det Kongelige Danske Videnskabernes Selskab, Niels Bohr og den moderne atomfysik, Rhodos København 1985