Eine Reise in die Vergangenheit

(Christian Holzapfel)

 

"Der var fem Ærter i en Ærtebælg,

de var grønne,

og Bælgen var grøn,

og saa troede de,

at hele Verden var grøn,

og det var aldeles rigtigt!"

H.C. Andersen

 

     Es war einmal ein Forscher. Der Forscher hatte eine Maschine erfunden, mit der er wundersame Reisen in die Vergangenheit machen konnte.

    

     Und so unternahm er denn auch Reisen in das Land der Neandertaler, um seine Vorfahren kennen zu lernen. Er reiste weiter zurück in das Land der Saurier, sah dort große Meere mit üppigen subtropischen Pflanzen und Tieren, wo heute unsere Alpen sich türmen. So reiste er Millionen und Abermillionen von Jahren zurück, sah die Tierchen, aus denen wir heute unsere Schulkreide gewinnen. Er sah, als er noch viele Hunderte von Millionen von Jahren zurückflog, auch die winzigen Lebewesen, aus denen heute unser Öl und Benzin herrührt. 

    

     Der Forscher wollte aber, wie es die Natur der Forscher nun mal fordert, noch mehr wissen. Er wollte wissen, wann dies alles angefangen hatte. Er hatte von seinen Kollegen gehört, die es ja wissen mußten, daß dies alles in einem Urknall vor 15 Milliarden Jahren erschaffen worden war. Damals war die ganze Welt sehr klein. Als sie dann auseinanderflog, wurden alle die Stoffe nacheinander geschaffen, aus denen unsere Welt heute besteht. Alle Anzeichen sprachen dafür, so hatten ihm die Kollegen erzählt, daß die Welt, das ganze Universum, damals in einer gewaltigen Explosion ihren Anfang genommen hatte.

 

    Nun wollte der neugierige Forscher mit seiner Reisemaschine selbst sehen, wie die Erschaffung der Welt damals ausgesehen hat. Und er wollte, oh Schreck, auch wissen, wie die Welt davor ausgesehen hatte. Solche Fragen hatten sich selbst seine klugen Kollegen nicht zu stellen gewagt. Denn davor gab es gar nicht. Die Welt war eben vor 15 Milliarden Jahren geschaffen worden. So flog denn nun unser verwegener Forscher durch die Tiefen der Zeiten, immer weiter zurück, unvorstellbare Zeiten zurücklegend, gegen die unsere Geschichte seit Moses und Noah wie Bruchteile von Sekunden nur waren. Und schließlich war er die 15 Milliarden Jahre zurückgelangt - auf den Tag genau.

 

    Er sah sich um und entdeckte einen kleinen Planeten mit Wäldern und Seen und Häusern. Er stieg aus seiner Maschine und suchte in der Gegend nach dem Urknall. Er sah aber nichts Außergewöhnliches. Auf seinem Spaziergang traf er einen älteren Herrn, den er nach dem Urknall fragte. Er hätte ihn fast gefragt: Dr. Livingstone, vermute ich, besann sich aber, denn Dr. Livingstone war sicher zu der Zeit noch nicht bekannt. Aber der Herr sah ihn an und fragte, ob er auch Forscher sei, er hatte auch schon über den Urknall und über die Erschaffung der Welt nachgedacht. Und er sei aus all den Anzeichen, die er gefunden hatte, zu der Überzeugung gekommen, die Schöpfung müsse vor etwa 15 Milliarden Jahren stattgefunden haben. Unser Forscher aber rief aus, er wäre doch schon 15 Milliarden Jahre zurückgereist. Dann wäre die Welt tatsächlich vor 30 Milliarden Jahren erschaffen worden. Aber der Herr sah ihn wieder an und sagte, nein, er hätte auch schon sehr lange darüber nachgedacht. Wenn du mit deiner Maschine nochmals 15 Milliarden Jahre zurückreist, wirst du wieder jemanden finden, der dir sagt, die Welt sei vor 15 Milliarden Jahren erschaffen worden. In Wahrheit ist die Welt seit Ewigkeit gewesen. Wir können aber nur 15 Milliarden Jahre zurückblicken. Dann verschwindet unser Zeitmaß, die Zeit verflüchtigt sich, engt sich zusammen wie die Landstraße mit den großen Alleebäumen sich in der Ferne zu einem Punkt verflüchtigt, so daß es so aussieht, als könnten wir nur 5 Meilen weit sehen. Wenn wir von der Perspektive nichts wüßten, würden wir auch behaupten, die Landstraße finge dort an, nämlich 5 Meilen von uns. In Wahrheit geht sie auch viele, viele Meilen weiter zurück. Wenn wir die 5 Meilen zurücklegen, sehen wir wieder den Anfang der Landstraße 5 Meilen weiter zurück. So erkannte denn auch der Forscher, daß die Schöpfung ewiger und einfacher ist, als wir es uns vorstellen können.

 

   Er kehrte bescheiden zurück in unsere Gegenwart und erzählte von seinen Erlebnissen. Seine Kollegen aber verstanden ihn nicht, manche lachten ihn gar aus, denn sie hatten ja keine Zeitmaschine. Sie konnten nur den sich verflüchtigenden Zeitpunkt von vor 15 Milliarden Jahren sehen. Und sie gingen weiter daran genauer auszurechnen, ob die Welt nun in Wirklichkeit vor 12 Milliarden Jahren erschaffen worden war - oder waren es gar 20 Milliarden Jahre?

(Nov. 1987)