DER ZWEITE TAG IN DER GESCHICHTE DES ELEKTRONS

(Christian Holzapfel)

 

Diese sich widersprechenden Bilder müssen aber beide mit der Wirklichkeit übereinstimmen, vor allem mit der Natur bzw. mit der klassischen Physik, wie wir sie makroskopisch erleben. Die Quantentheorie zeigt auch mehr und mehr rein klassische Züge je größer die Systeme sind, die wir damit beschreiben; die Unschärferelation wird unbedeutend, die Welleneigenschaften, Interferenzerscheinungen verschwinden. Interferenzen bei Tennisbällen hat noch niemand beobachtet. Die Ergebnisse der beiden Vorstellungen, die der klassischen Physik und die der Quantentheorie, werden identisch - obwohl die Vorstellungen selbst grundverschieden sind. Wir kommen später auf ein interessantes Beispiel dafür zurück. Auch dieses Prinzip wurde von Niels Bohr als das sogenannte Korrespondenzprinzip formuliert. Den Quantenvorgängen entsprechen klassische Vorgänge, so daß für größer werdende Quantenzahlen die Resultate der Quantenvorstellung in die klassischen Resultate konvergieren. Jetzt ist uns ein neuer Begriff auf unserem Spaziergang begegnet, die Quantenzahl. Das ist lediglich eine Nummerierung der möglichen Zustände, die ein System einnehmen kann, z.B. das Atom mit seinen Elektronenbahnen. Die tiefste Bahn, also die energieärmste Bahn, wie wir gelernt haben, bekommt die Nummer 1, die Quantenzahl 1, die nächst höhere die Quantenzahl 2 u.s.w. Wenn das Elektron zwischen diesen beiden Bahnen hin- und herspringt, wird Licht emittiert oder absorbiert, aber nur entsprechend der Energiedifferenz dieser beiden Zustände. Es gibt nichts dazwischen. Die Energie wird in Form von Quanten, also als kleine Pakete emittiert oder absorbiert. Wir können aber diese Energiepakete nicht aus der klassischen Vorstellung berechnen, etwa durch die Bewegung der Elektronen aus der Elektrodynamik. Das gäbe völlig unsinnige Resultate. Das wird eben durch die Quantentheorie beschrieben. Betrachten wir aber sehr viel größere Quantenzahlen, d.h. Elektronen, die sich weit draußen bewegen, dann können wir die Bewegung des Elektrons wie eine kleine Antenne behandeln. Dann ergibt die klassische Elektrodynamik die richtige Berechnung der Emission und Absorption des Lichtes. Die Quantentheorie ergibt natürlich auch die richtigen Resultate. Aber die Resultate der klassischen Elektrodynamik und der Quantentheorie unterscheiden sich nicht mehr bzw. die Unterschiede werden immer geringer, je größer die Quantenzahlen sind.

 

 ORIGINALQUELLE: "Eine kleine Geschichte des Elektrons", BoD Verlag 2005